Georg • Scheel • Wetzel  Architekten

Gedenkort T4 Berlin

Projektdaten

Gedenk-Und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde
Berlin, Tiergartenstraße 4

Nichtoffener Gestaltungswettbewerbfür Gestalter in Zusammenarbeit mit Künstlern und Landschaftsarchitekten
Berlin 2012
in Kooperation mit: Dr. Bernhard Korte, Landschaftsarchitekt
Prof. Christiane Möbus, Künstlerin
Auslober:Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten
in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien
Mitarbeit: Frank Zimmermann, Andreas Gülzow

In der im Krieg zerstörten Villa auf dem Grundstück Tiergartenstraße 4 fanden die mörderischen Planungen der Nationalsozialisten zur Ermordung von Patienten der Psychiatrie und Menschen mit Körperlichen Gebrechen statt. Zwischen Tiergarten und dem Gelände der Philharmonie befinden sich im Bereich der Tiergartenstraße 4 zur Zeit Bushaltestellen und nichts gemahnt an das Geschehen bis auf eine Erinnerungstafel und eine große Skulptur von Richard Serra.

Der Gestaltungsvorschlag sieht vor, auf dem Grundstück Tiergartenstraße 4 ein Raumvolumen aus 31 Eschen zu schaffen, die einen Distrikt des Gedenkens beschreiben. Es sind fremdländische Eschen, die helfen, das Eigene im Fremden zu entdecken, Einfühlung für Andersartigkeit zu möglichen. Im Innern des Baumbestandes befindet sich neben der versetzten Gedenktafel ein Rosengarten mit weißblühenden Rosensträuchern, die im Herbst Hagebutten ansetzen. Auch Zwiebelgewächse, die zu den verschiedensten Jahreszeiten blühen, verlangen ein Kultivieren des Gartens, der hinter einer Einfassung Schutz sucht. Der Garten ist eine Antwort auf die nationalsozialistischen Gräueltaten und soll durch Freunde des Erinnerungsortes Tiergartenstraße 4 gepflegt werden.

Den Leitgedanken hierzu gibt Voltaire, der seine Novelle “Candide” mit der berühmten Erklärung beschließt,” il faut cultiver notre jardin”. „Das Possesivpronomen, das Voltaire verwendet – notre –, verweist auf die Welt der Pluralität, die durch die Macht des menschlichen Handelns Gestalten annimmt. Notre jardin ist nie ein Garten bloß privater Interessen, in dem man aus der Wirklichkeit entflieht, er ist das Stück auf der Erde, im Ich oder im sozialen Kollektiv, auf dem die kulturellen, ethischen und bürgerlichen Tugenden kultiviert werden, welche die Wirklichkeit vor ihren eigenen schlimmsten Antrieben bewahren.” (Robert Harrison, Gärten, Carl Hanser Verlag)

Eine Stele im Norden markiert den früheren Eingang auf das Grundstück der Tiergartenstraße 4, eine zweite im Süden verweist auf den ehemaligen Ort der Villa. Beide helfen sie, die Vorstellung der bauzeitlichen Situation im heutigen Stadtbild wachzurufen, ohne jedoch verschwundene Spuren rekonstruieren zu wollen. Auf diese Weise werden eindeutig identifizierbare Bereiche der Vermittlung und des Gedenkens geschaffen, die sich den zwei Themenschwerpunkten des historischen Ortes widmen lassen.

Durch ihre Platzierung in unmittelbarer Nähe zur Tiergartenstraße auf der einen und dem Vorplatz der Philharmonie auf der anderen Seite, suchen die beiden Informationsorte jeweils Anschluss an den städtischen Raum, der einzelnen Besuchern ebenso wie Besuchergruppen einen inhaltlichen Einstieg in das Thema ermöglicht. Gleichzeitig entwickelt sich ein Dialog zwischen den beiden Punkten, in deren räumlichen Zentrum der Garten steht. Hier findet der Besucher, Candide am Ende seiner Reise gleich, einen Ort, der dem individuellen Gedenken und der persönlichen Auseinandersetzung gewidmet ist.